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Mein Weg

„Mein Lied“

Ob besser mein Weg ist als andre – was weiß ich!
Und ob zum Ziel er führt, ahne ich nicht.
Wahrscheinlich ist er vielen andern vergleichlich,
doch schau’ ich auf meinem Weg immer ins Licht.

Mag sein, dass mein Werk ich niemals vollende;
mag sein, dass ich endlich erreiche nicht viel,
doch nehm’ ich mein Leben in eigene Hände,
versuche mich an meinem eigenen Stil.

Mag sein, dass mein Lied ungehört wird verklingen;
mag sein, dass es nicht ’mal ich selber versteh’,
doch werde ich wieder und wieder es singen,
dass ich meinen Weg nicht alleine mehr geh’.

(HHR 1990 nach „Lied des Bundes“)

Glück

Sind wir frei auf unserem Weg? Gibt es ein Ziel?

Ich habe das sichere Gefühl, dass mein Leben relativ unabhängig von meinen bewussten Entscheidungen verläuft. Gerade an Stationen, die sich später als wichtig herausstellen, erlebe ich vermehrt Déjà-vus, bei denen ich mich teilweise noch erinnern kann, wann ich sie geträumt habe. Diese Erlebnisse beziehen sich meist auf Situationen, die ich nicht beeinflussen kann, wie zum Beispiel Gespräche zwischen anderen Menschen.

In der Rückschau meines Lebens, welches jetzt etwa die Hälfte des optimistisch geschätzten unitarischen Durchschnittsalters ausmacht, sind mir immer zur rechten Zeit (kairós) Menschen begegnet, die mich weiter gebracht haben, und sei es nur auf einem (scheinbaren) Umweg. Das Glück ist mit mir – und dabei neige ich nicht zu blindem Optimismus (obwohl ich an eine Zukunft der unitarischen blätter glaube). Ich vertraue auf mein Glück, ich vertraue meiner Mitwelt. Allerdings reicht es nicht aus, „hinterm Ofen“ auf sein Glück zu warten – plane voraus und sorge vor, aber sei bereit, eine Chance wahrzunehmen; sei bereit, die Hand, die dir das Schicksal reicht, freudig zu ergreifen. Begrüße die Veränderung, die du nicht aufhalten kannst; stelle dich der Herausforderung.

Aber bleiben wir bescheiden: Unsere Entscheidungsfreiheit reicht nur zum Ausmalen, nicht zum Modellieren. – Ich habe einmal die Aussage eines Bildhauers gelesen, seine Figuren seien schon im Stein, er könne sie nur herausholen.

Unglück

Ich will auch nicht behaupten, jeder sei seines Glückes Schmied: Wer ohne Hammer und Zange, fern jeder Esse zur Welt kommt, hat oftmals sein Leben lang nichts zu schmieden. Und es scheint Menschen zu geben, an denen das Unglück wie Pech (sic!) klebt. Aber selbst so jemandem kann es nicht besser gehen, wenn er jammernd in der Ecke hockt.

Jammern ist sinnlos und kontraproduktiv: Entweder kann ich etwas ändern, dann muss ich mich aufraffen (so schwer das fallen mag), oder ich kann es nicht ändern, dann hilft das Jammern auch nicht.

Es ist durchaus not-wendig, sich gelegentlich gründlich auszuheulen. Viele Probleme lösen sich nur, besser, oder gar von selbst, wenn man sie ausspricht und jemand dabei zuhört. Das Aussprechen dessen, was mich belastet, ist eine Grundidee der Beichte. Eine solche regelmäßig zu „verordnen“, ist dauerhafte Therapie. Allerdings machen moralische Verurteilung (Sünde) und die völlige Abgabe der Verantwortung (Absolution) den guten Ansatz zunichte. Ich würde eine Psychotherapie bevorzugen. (Und wer entlastet die Therapeuten?)

Aber Jammern hilft nicht. Wer nicht freudig annimmt, was das Schicksal zu verschenken hat, wird von ihm erschlagen: „Es gejt nor zu gejn oif dem sunikn weg.“

(Mag sein, dass ich meine grenzenlose Arroganz in dieser Hinsicht ablege, wenn es mich selbst aus heiterem Himmel erschlägt.)

Gott oder Gene?

Dieser Schicksalsbegriff klingt schon stark nach Personifizierung, als sei das Schicksal das, was eine Gott-Person „schickt“, oder als sei es dieses personale Bewusstsein selbst (wie die Göttin Fortuna). Ich ziehe aber eine „biologische“ Deutung vor:

In jeder Zelle ist der Bauplan des ganzen Körpers enthalten. Jedes Bruchstück eines Hologramms enthält eine Vorstellung vom ganzen Bild. Aber erst alle Zellen zusammen bilden den Körper, und nur das ganze Hologramm gibt das Bild aus allen Perspektiven genau wieder.

So (stelle ich mir vor) enthält jede „Welt-Zelle“, jeder Teil des All-Einen, einen groben Plan des Ganzen. Aber jede Zelle muss an ihrem Platz ihre Aufgabe erfüllen – auch wenn sie sich über diesen Platz und diese Aufgabe nicht bewusst wird, vielleicht nicht bewusst werden kann. Nur in nicht-bewussten Zuständen wie im Traum kann man diese Informationen „erleben“ und vielleicht mit den Informationen anderer „Zellen“ verknüpfen (schließlich ist das All eine Einheit und alles mit allem verbunden.)

So (stelle ich mir vor) entstehen Visionen, an die man sich später – déjà-vu – erinnert.

Bauplan ohne Baumeister

Nun können Zellen mutieren und Erbinformationen sich durch vielerlei Einflüsse verändern. In ähnlicher Weise wird auch der Bauplan des Alls sich stetig ein wenig verändern. Dieser Plan hat keinen Architekten. („Die Natur lässt sich von Gott nicht ins Handwerk pfuschen.“) Aber dass es so einen „Plan“ geben muss, davon bin ich überzeugt: Das ist das Schicksal.

Mag sein, dass ich irre und dich nur verwirre.
Mag sein, dass ich hoffe und bin längst verlorn.

Mag sein, dass ich einmal, wenn alles erreicht ist,
erreicht habe nichts als ein’ Anfang von vorn.

(Wolf Biermann nach „Lied des Bundes“)